1920 - 1981
Irving Townsend (27. November 1920 – 17. Dezember 1981),
war ein bedeutender amerikanischer Plattenproduzent und Autor, dessen Wirken die Musikgeschichte nachhaltig prägte. Internationale Bekanntheit erlangte er vor allem durch die Produktion des legendären Albums „Kind of Blue“ von Miles Davis, das laut der Recording Industry Association of America (RIAA) als das meistverkaufte Jazzalbum aller Zeiten gilt. Später in seiner Karriere übernahm Townsend die Präsidentschaft der „National Academy of Recording Arts and Sciences“ (NARAS) der Vereinigten Staaten.
Frühe Karriere und Aufstieg bei Columbia Records
Townsend begann seine musikalische Laufbahn als Jazzbandleader. Sein Weg in die Plattenindustrie führte ihn zunächst zu Columbia Records, wo er als Werbetexter tätig war. Sein Engagement und sein musikalisches Gespür ermöglichten es ihm, George Avakian davon zu überzeugen, ihn in Aufnahmesessions einzubinden. Mitte der 1950er Jahre etablierte sich Townsend schließlich als Vollzeitproduzent. Nach dem Ausscheiden von George Avakian und Cal Lampley wurde er zum zentralen Produzenten für Miles Davis.
Townsends schriftstellerisches Talent zeigte sich auch in zahlreichen Begleittexten
(Liner Notes) für Columbia-Alben, darunter für Werke von Duke Ellington („Black, Brown and Beige“) und Mahalia Jackson. 1975 verfasste er für das Magazin „The Atlantic Monthly“ den Artikel „Ellington in Private“, in dem er seine Begegnung mit Duke Ellington beim Newport Jazz Festival 1956 schilderte. Dieser Artikel trug maßgeblich dazu bei, dass Ellington einen Vertrag bei Columbia Records unterzeichnete.
Neben seiner Arbeit mit Miles Davis und Duke Ellington produzierte Townsend eine beeindruckende Bandbreite an Alben für namhafte Künstler verschiedenster Genres, darunter Billie Holiday („Lady in Satin“), Johnny Mathis („Live It Up!“), Doris Day („Duet“), André Previn, Percy Faith („American Serenade“), Dave Brubeck, Lambert, Hendricks & Ross, Thelonious Monk, Count Basie, Tony Bennett, Barbra Streisand und Ray Conniff („How To Save A Marriage And Ruin Your Life“).
Mahalia betrachtete Townsend, der zeitweise Geschäftsführer von Columbia Records war, als einen engen Freund und Vertrauten.
Unter seiner Leitung entstanden zahlreiche Studioaufnahmen für Columbia.Musikalische Auseinandersetzungen und neue Richtungen Townsend ermutigte Mahalia Jackson, musikalisch „neue Dinge“ auszuprobieren, was jedoch nicht immer auf Gegenliebe stieß. So schlug er ihr beispielsweise vor, Duke Ellingtons umfassendes Werk „Black, Brown and Beige“ aufzunehmen, das die gesamte Geschichte der Afroamerikaner in der Musik thematisierte. Mahalia hingegen präferierte es, sich auf den religiösen Teil zu konzentrieren. Eine weitere Herausforderung stellte Townsends Wunsch dar, Jackson mit Orchesterbegleitung aufzunehmen. Da sie keine Noten lesen konnte, hegte sie Bedenken, den Partituren nicht folgen zu können und befürchtete zudem, dass die Arrangements zu dominant sein könnten. Townsend versicherte ihr jedoch, dass die Arrangements an ihre Bedürfnisse angepasst würden. 1967 erschien schließlich das Album „My Faith“ mit Arrangements von Richard Hazard.
Deutliche Meinungsverschiedenheiten gab es auch bezüglich des Albums „What The World Needs Now“ von 1969, dessen rockige Einflüsse von Townsend als Jacksons „radikalste“ musikalische Ausrichtung bezeichnet wurden. Mahalia selbst äußerte die Sorge, dass die Texte in den Arrangements untergehen und die Botschaft des Gospels verloren gehe. Sie kündigte an, dass es keine weitere Mahalia Jackson Platte dieser Art geben würde.
Townsend als Bindeglied zu Columbia Records
Nachdem William „Bill“ Russell zunächst als Vermittler zwischen Mahalia Jackson und Columbia fungiert hatte, übernahm Irving Townsend diese Rolle. Townsend setzte sich dabei stets dafür ein, dass der Künstler und nicht die Vorstellungen anderer im Vordergrund der Produktion standen – eine Haltung, die auch Russells Überzeugung entsprach. Geschäftliche Aspekte und Mahalias Finanzen Townsend erkannte, dass Mahalia Jackson zwar eine außergewöhnliche Künstlerin, aber keine versierte Geschäftsfrau war. Er riet ihr dringend, sich nicht selbst um ihre finanziellen Angelegenheiten zu kümmern und eine professionelle Geschäftsleitung zu engagieren, da sie nur wenigen Menschen Vertrauen schenkte. Obwohl es nicht zu seinen direkten Aufgaben gehörte, bezog Mahalia Jackson Townsend in nahezu jeden Aspekt ihres Lebens ein, einschließlich ihrer Finanzen, ihres Privatlebens und ihrer Beziehungen zu Mitarbeitern. Townsend bemerkte einmal, dass Jackson Menschen im Umgang miteinander bis an ihre Grenzen „benutzte“ und ausnutzte.
Trotz der beruflichen Meinungsverschiedenheiten war die Beziehung zwischen Mahalia Jackson und Irving Townsend von Vertrautheit geprägt. Auf die Frage von Joe Price von „Variety“, wie sie bei Columbia behandelt werde, antwortete Mahalia spontan: „Irv Townsend liebt mich. Ich glaube, er war schon als Junge in der Sonntagsschule. Ich bin sehr glücklich mit Columbia. Ich singe, was ich will und wann ich es will.“ Gleichzeitig gab es jedoch auch Momente der Frustration auf Townsends Seite, da Mahalia sehr eigenwillig sein konnte. Townsend geriet über bestimmte geschäftliche Entwicklungen in „völlige, völlige Wut“.
Leitung der Aufnahmen
Irving Townsend leitete die Aufnahmesessions von Mahalia Jackson. Dabei verfolgte er die Strategie, nach den eigentlichen Aufnahmen in Ruhe Sounds und Spezialeffekte hinzuzufügen. Neben seiner Tätigkeit als Produzent war Irving Townsend auch als Autor erfolgreich. Er war Co-Autor der Autobiografie „John Hammond on Record“ von John Hammond. Zudem verfasste er weitere Bücher wie „The Less Expensive Spread: Delights & Dilemmas of a Weekend Cowboy“, „The Tavern“, „Separate Lifetimes“ und „Duffy: Adventures of a Collie“.
Ab 1969 bekleidete Irving Townsend das Amt des Präsidenten der National Academy of Recording Arts and Sciences (NARAS), was seine herausragende Stellung und seinen Einfluss in der Musikindustrie weiter unterstreicht.
Irving Townsend verstarb am 17. Dezember 1981 in Santa Ynez, Kalifornien. Sein Vermächtnis als visionärer Produzent und enger Vertrauter von Mahalia Jackson lebt in ihren zeitlosen Aufnahmen weiter.