Mahalias Reisen mit dem berühmten Schiff
Mahalia Jackson reiste häufig mit der SS United States. Weniger bekannt ist ihre tiefe Verbindung zu diesem legendären Passagierschiff, das in den 1950er und 60er Jahren den Atlantik überquerte. Für Mahalia war das Schiff mehr als nur ein Transportmittel; es war ein Ort der Ruhe, der Heilung und der Überwindung von Ängsten.
© Classic Stock/Alamy. Die SS United States beim Verlassen des New Yorker Hafens in den 1950er Jahren
© Bettmann Archive Collection
Mahalias Beziehung zum "großen Schiff" begann mit einem Wunsch, der nicht immer in Erfüllung ging. Ihre Flugangst war bekannt und so war es ihr sehnlichster Wunsch, für ihre erste Europatournee 1952 die SS United States zu nehmen. Doch eine plötzliche Erkrankung an Sarkoidose machte eine schnelle Ankunft in Frankreich notwendig, und so musste sie ihre Angst überwinden und doch ins Flugzeug steigen.
Auch andere Wünsche, wie eine geplante Hochzeit (und eine Hochzeitsreise) mit Reverend Russell Roberts, blieben unerfüllt. Obwohl die SS United States eine Option war, musste die Reise verschoben werden, da sie einen Film in Hollywood drehen sollte.
Ihre Sehnsucht nach der Seereise blieb bestehen. Mahalia Jackson, die in den 1960er Jahren vertraglich festlegte, nicht mehr zu fliegen, plante ihre Europatournee 1961 explizit mit der SS United States. Ihr Roadmanager David Haber sorgte für alle Annehmlichkeiten an Bord – von Obst und Schokolade bis hin zu Champagner. Die Verabschiedung am Hafen von New York war ein Spektakel: Konfetti und Papiergirlanden flogen, eine Band spielte. Es war ein symbolischer Abschied von der schnellen, aber beängstigenden Flugreise und ein Willkommen an Bord der gemütlichen, seefahrenden Vergangenheit.
Die Reisen auf der SS United States waren für Mahalia Jackson auch eine Zeit der persönlichen Regeneration. Bei einer Überfahrt in den frühen 1960er Jahren war sie von ihrer anstrengenden Tournee erschöpft und litt unter Seekrankheit. Sie verbrachte die meiste Zeit in ihrer Kabine, betete und fand Trost darin, das friedliche Meer zu beobachten. Ein Schiffsarzt verordnete ihr eine überraschende Kur: Steaks, Spinat, Trauben und ein Glas Wein zu jeder Mahlzeit. Diese ungewöhnliche Diät und ihre Gebete zeigten Wirkung. Bei ihrer Ankunft in England ging es ihr wieder besser, gestärkt und bereit für die nächsten Konzerte.
Ihre Ankunft in Europa war ebenso beeindruckend. In Le Havre, Frankreich, wurde ihre Begleiterin Mildred Falls von einem Vertreter des Hot Club de France mit einem riesigen Blumenstrauß begrüßt, während Fotografen das Ereignis festhielten. Von hier aus setzte Mahalia Jackson ihre Tournee fort, die sie sogar bis ins Heilige Land führte – eine Reise, die jedoch mit anderen Transportmitteln fortgesetzt wurde. Mildred Falls erwähnte in einem Interview von 1972, dass sie die United States „nie vergessen werde.“
Auch wenn die SS United States nicht immer das Schiff ihrer Wahl sein konnte, war sie doch ein ständiger Begleiter in ihren Plänen und Träumen. Und als sie nach einer anstrengenden Tournee "nach Hause" segelte, tat sie dies an Bord ihres geliebten Ozeandampfers. Die Geschichte von Mahalia Jackson und der SS United States ist die Geschichte einer Künstlerin, die auch in den Zeiten von Jet-Reisen der langsamen, aber heilsamen Reise über den Meer vertraute – und diese in vollen Zügen genoss.
In einem Auszug aus ihrem persönlichen Tagebuch, das sie zwischen dem 30. März und dem 4. April 1961 an Bord des Schiffes schrieb, beschrieb Mahlaia Jackson ihre Reise wie folgt:
New York, 30. März
Wir fuhren mit dem Taxi zum Pier der United States Lines in der W. 46th Street, um an Bord der SS United States zu gehen. Viele Freunde hatten sich versammelt, um mich zu verabschieden. Es war alles sehr aufregend, und Fotografen von New Yorker Zeitungen machten Fotos. Ich war todmüde und sobald das Schiff ablegte, war ich in meiner Kabine und im Bett.“
SS United States, 1. April
Nachdem ich zwei Tage lang geschlafen hatte, kam ich auf Drängen des Musikdirektors Meyer Davis, der mich immer wieder aufforderte, an einer Party für den Komiker Jackie Gleason teilzunehmen, aus meiner Kabine. Schließlich raffte ich mich aus dem Bett und mischte mich unter die Gäste, aber innerhalb einer Stunde war ich wieder in meiner Kabine und schaute aus dem Fenster auf das wunderschöne Wasser. Ich wusste nicht, dass Wasser eine solche Anziehungskraft auf mich ausüben kann. Es war sehr interessant, die verschiedenen Formen und Gestalten des Wassers zu beobachten, die unterschiedlichen Wellen und Farben, die verschiedenen Stimmungen und Geräusche.“
Mahalia Jackson an Bord der SS United States im Januar 1961
© Bettmann Archive Collection
Die SS United States, liebevoll „The Big U“ genannt, war einst ein schwimmendes Symbol für amerikanischen Luxus und Ingenieurskunst.
Dieses legendäre Passagierschiff, das in den 1950er Jahren die Welt eroberte, hält bis heute einen ungeschlagenen Geschwindigkeitsrekord. Doch die Ära der großen Ozeanriesen endete, und so steht das Schicksal der "Big U" heute sinnbildlich für den Wandel einer ganzen Branche. Nach jahrzehntelangem Verfall soll das Schiff nun eine letzte, spektakuläre Rolle spielen: als größtes künstliches Riff der Welt.
Der Bau der SS United States war mehr als nur der Entwurf eines Luxusliners. Die amerikanische Regierung subventionierte das 78-Millionen-Dollar-Projekt mit einem klaren Ziel: Das Schiff sollte bei Bedarf innerhalb von 48 Stunden in einen Truppentransporter für 15.000 Soldaten umgewandelt werden können. Aber im Frieden sollte es Passagiere in unerreichtem Stil über den Atlantik befördern.
Schon bei ihrer Jungfernfahrt im Jahr 1952 schrieb die "Big U" Geschichte. Sie überquerte den Nordatlantik in nur 3 Tagen, 10 Stunden und 40 Minuten und holte sich damit das prestigeträchtige "Blaue Band". Diesen Rekord hält sie bis heute. Die S.S. United States überquerte den Atlantik in der Folge 800 Mal ! Entworfen von dem visionären Ingenieur William Francis Gibbs, war Brandschutz die oberste Priorität. An Bord gab es fast kein brennbares Material – selbst die kostbaren Steinway-Flügel waren aus feuerfestem Mahagoni gefertigt. Kein Wunder, dass sich Prominente und Staatsoberhäupter wie Marilyn Monroe, Marlon Brando und US-Präsidenten wie Truman und Eisenhower an Bord wohlfühlten.
Mit dem Aufkommen des Jet-Zeitalters in den 1960er Jahren verloren transatlantische Schiffsreisen schnell an Attraktivität. Die SS United States wurde 1969 außer Dienst gestellt und begann eine lange, traurige Reise durch verschiedene Häfen. Das Schiff wechselte mehrmals den Besitzer und verfiel zusehends. In den 1990er Jahren wurde es in der Ukraine teilweise entkernt und von Asbest befreit, aber Pläne zur Restaurierung scheiterten immer wieder. Die "Big U" lag fast 30 Jahre lang in Philadelphia, ein rostendes Mahnmal für vergangene Größe.
Im Jahr 2025 wurde die SS United States von Philadelphia nach Mobile, Alabama, geschleppt. Es gab zuletzt einen Plan, das Schiff vor der Küste Floridas im Golf von Mexiko zu versenken, um es in das größte künstliche Riff der Welt zu verwandeln. Dieses ehrgeizige Projekt soll ein neues Unterwasser-Ökosystem schaffen und Tauchern sowie Fischern eine neue Attraktion bieten.
Obwohl das Schiff als schwimmendes Denkmal nicht gerettet werden konnte, erhält es so einen neuen und vielleicht noch wichtigeren Zweck. Es wird nicht nur ein Zuhause für Korallen und Meereslebewesen, sondern auch eine ständige Erinnerung an eine Ära, in der Ozeanriesen die Meere beherrschten und die SS United States die Schnellste von allen war.
©Thilo Plaesser