Mahalia Jacksons geistige Mentorin
Mutter Fannie Parthenia Gay ist ein Name, der in den Annalen der Chicagoer Gospelmusikszene einen besonderen Platz einnimmt. Sie war nicht nur eine herausragende Persönlichkeit in dieser lebendigen musikalischen Welt, sondern auch eine zutiefst verehrte geistige Mentorin für die legendäre Mahalia Jackson. Ihr Einfluss reichte weit über musikalische Darbietungen hinaus und prägte das Leben vieler, die das Privileg hatten, sie zu kennen.
Fannie Parthenia Gay und ihr Mann Jerry Gay wanderten aus Georgia nach Chicago ein und wurden zu frühen und engagierten Mitgliedern einer Church of God in Christ (COGIC) in der West Side Chicagos. Mutter Fannie Gay war eine gefragte Evangelistin und übernahm die Leitung des COGIC-Kirchenchors – eine Rolle, die ihr großes musikalisches und spirituelles Talent unterstrich.
Das Ehepaar Gay zog fünf musikalisch hochbegabte Kinder auf: Robert, Evelyn, Mildred, Geraldine und Donald. Ihr Zuhause war ein einzigartiger Ort, an dem Gospel und Jazz Seite an Seite existierten und die musikalische Entwicklung der Kinder auf einzigartige Weise beeinflussten.
Ihre Töchter Mildred, Evelyn und Geraldine gründeten die gefeierte Gospelgruppe "Gay Sisters". Donald Gay bezeichnete sie stolz als die "erste authentische Schwesterngruppe, die aus der Church of God in Christ hervorging". Sie waren bekannt für ihre engen Harmonien, beeindruckende Bühnenpräsenz und stilvollen Auftritte. Ihr Arrangement der Hymne "God Will Take Care of You", 1951 für Savoy Records aufgenommen, wurde ein sensationeller Erfolg mit angeblich einer Million verkauften Exemplaren. Evelyn komponierte den charakteristischen Stakkato-Rhythmus, der diesem Lied seine unverwechselbare Note verlieh.
Der jüngste Sohn, Donald Gay, war ein Wunderkind-Evangelist, bekannt als "Boy Preacher", der bereits mit fünf Jahren predigte. Sein Talent führte ihn 1950 zu Mahalia Jacksons Debüt in der Carnegie Hall, und die Gay Singers (späterer Name der Familiengruppe) folgten 1954. Geraldine, eine außerordentlich begabte Pianistin, spielte nach Gehör und entwickelte einen einzigartigen Stil, der Jazzharmonien geschickt in den Gospel einfließen ließ.
Mahalia Jackson vertraute tief auf die Weisheit und die Gebete von Mutter Gay. Mutter Gay war weithin für ihre große Gebetskraft bekannt und wurde als ruhige, sanfte Frau beschrieben, die Hände auflegte und leise betete – ein Bild des Friedens und der tiefen Spiritualität. Besonders bewegend war die Unterstützung im Jahr 1952, als Mahalia aufgrund einer Krankheit ihre geplante Europatournee nicht antreten konnte. Mutter Gay betete für sie, und Mahalia erholte sich daraufhin vollständig und war trotz ihrer Flugangst bereit zu reisen. Mahalia suchte Mutter Gay auch für "Glaubensheilungen" auf und erhielt die tröstliche Zusicherung: "der Herr würde sie heilen".
Mutter Gay besaß eine erstaunliche spirituelle Gabe: Durch göttliche Offenbarung wusste sie von Mahalias Plänen, einen Tempel zu bauen, der auch göttliche Heilerinnen wie sie selbst beherbergen sollte, noch bevor Mahalia es ihr erzählte. Diese tiefe spirituelle Verbindung unterstrich die außergewöhnliche Rolle, die Mutter Gay in Mahalias Leben spielte. Selbst in persönlichen Krisen, wie während ihrer Scheidung von Sigmond Galloway, bot Mutter Gay Mahalia unerschütterliche Gebetsunterstützung an.
Mutter Fannie Gay war zweifellos eine bemerkenswerte Frau, deren Vermächtnis in der Gospelmusik und als geistige Mentorin unvergessen bleiben wird.
©Thilo Plaesser