Mahalia in Deutschland

Eine besondere Beziehung

Triumpf und Herausforderungen

1952 - Ihr Ruf eilt voraus

Mahalia Jacksons Ruf eilte ihr in Europa voraus, noch bevor sie deutschen Boden betrat. Bereits Anfang 1951 erhielt sie in Frankreich eine Auszeichnung der Charles Cros Academie für ihre Aufnahme von „I Can Put My Trust in Jesus“. Der einflussreiche französische Jazzkritiker Hugues Panassie spielte ihre Platten wiederholt im französischen Radio, was zur Veröffentlichung ihrer Musik durch Vogue Records in Europa führte.

Ihre erste Europatournee startete Mahalia 1952, und Berlin stand fest auf ihrem Reiseplan. Ein Konzert in der Festhalle am Funkturm, organisiert von der Agentur Blache-Mey, wurde jedoch in letzter Minute abgesagt. Der Grund: Mahalia wurde schwer krank. Ärzte diagnostizierten Gebärmutterwucherungen, die eine Hysterektomie nötig machten. Nach einem Kollaps auf der Bühne in Paris rieten ihr die Ärzte von weiteren Reisen ab. Trotz ihres kritischen Zustands – sie hatte stark abgenommen und litt unter einem unregelmäßigen Puls – kehrte sie für die Operation nach Chicago zurück, da sie den Eingriff nicht in Europa durchführen lassen wollte. Bemerkenswert ist, dass sie die respektvolle Behandlung, die ihr in Europa, insbesondere von Weißen, zuteilwurde, als stärkend empfand.

1961 - Station in Deutschland

Deutschland war wieder eine Station auf ihrer Europatournee im Jahre 1961.

In diesem Jahr war Mahalia ganz besonders „in Form“ - vielleicht sogar auf dem Höhepunkt ihrer stimmlichen und musikalsichen Entwicklung. Neben Konzerten in Frankfurt und München fand ein sehr beachtliches Konzert in der Laeiszhalle in Hamburg statt. Dieses wurde auch vom Fernsehen aufgezeichnet. Ich halte dieses Konzert für eines der besten, das aufgezeichnet wurde ! Sehen Sie selbst. Ich stelle Ihnen die Erstveröffentlichung des gesamten (!) Konzertes zur Verfügung.

1967 - Ein Kampf gegen Krankheit

Das Jahr 1967 sollte eine weitere Europatournee bringen, die jedoch tragischerweise aufgrund von Mahalias Krankheit abgebrochen werden musste. Während einige Medien einen Herzinfarkt meldeten, diagnostizierten Ärzte im Krankenhaus Stress, Erschöpfung und frühere Erkrankungen als Ursache. Ihr langjähriger Organist Charles Clency und Edward Robinson hielten sich zwei Wochen lang in Berlin bereit, bevor die Tournee abgesagt wurde. Mahalia selbst wurde in einem Berliner Krankenhaus behandelt, wo die beiden Musiker sie abwechselnd besuchten.

Die ärztlichen Diagnosen waren alarmierend
Die Ärzte vermuteten, dass 45 % von Mahalias Krankheiten psychosomatischer Natur waren. Dr. Schroeder in Berlin riet dringend zur unbegrenzten Verschiebung der Tournee, da die Auftritte eine immense Belastung für ihr Herz dargestellt und einen Herzinfarkt hätten auslösen können. In ihrem Hotelzimmer weinte Mahalia bitterlich. Nach ihrer Rückkehr in die USA erkundigte sie sich schriftlich bei Dr. Schroeder, ob er bei ihren Untersuchungen Spuren von „Sercois“ (Sarkoidose) gefunden habe – ein Hinweis auf ihre anhaltende Suche nach der Ursache ihrer Leiden.

Trotz der gesundheitlichen Rückschläge gab es große Pläne
Kurt Collien fungierte als ihr deutscher Sponsor, und CBS/Columbia Records plante eine große Fernsehshow in Berlin am 26. August 1967, um die Eröffnung des Farbfernsehnetzes in Deutschland zu feiern, die auch umgesetzt wurde. Ein Zeichen für die immense Popularität, die sie in Deutschland genoss.

1969 - Ein Triumph

Die Tournee von 1969 markierte einen triumphalen Höhepunkt in Mahalia Jacksons Beziehung zu Deutschland.

Sie begann mit einem ausverkauften Konzert in Frankfurt, in der modernen Kongresshalle. Trotz des schwierigen Direktors endete das Konzert in einem „mitreißenden, stampfenden, pfeifenden, jubelnden, nicht enden wollenden Applaus“. Das Publikum rief „Mah-hahl-ya!“ und stampfte im Gleichklang – ein Zeugnis der tiefen emotionalen Verbindung, die sie mit ihren Zuhörern aufbaute.

Die Reise führte sie weiter nach Berlin, Hamburg, Düsseldorf und Nürnberg. Mehr als ein Drittel der gesamten Tournee wurde vom deutschen Sponsor gebucht, und jeder Platz in den fünf deutschen Städten war weit im Voraus ausverkauft. Der Ansturm auf den Berliner Sportpalast wurde als beispiellos seit “Hitlers Massenveranstaltungen“ beschrieben. Mahalia selbst sagte, ihr Herz würde sie in den Frieden führen. In Hamburg wollte das Publikum sie nicht gehen lassen. Mahalia bemerkte, dass sie im Ausland anders sang als in amerikanischen Kirchen. Sie musste dem europäischen Publikum “beibringen“, auf den Zählzeiten 2 und 4 zu klatschen, anstatt auf 1 und 3 – ein kleiner, aber bezeichnender Unterschied in der rhythmischen Rezeption.

Persönliche Begegnungen
In Berlin überreichte ihr ein blondes Kind, ebenfalls namens Mahalia, Blumen. Sie erhielt ein 24-Karat-Goldmedaillon von Heinz Wipperfeld aus Deutschland. Der deutsche Steueranwalt Reiner Schroeter wollte sogar “Hallelujah Records“ für Deutschland aufbauen – ein Zeichen für das kommerzielle Potenzial ihrer Musik. (Anmerkung: Mahalia wollte ein eigenes Lable unter dem Namen “Halleluja Records“ aufbauen. Dazu kam es aber nicht.)

Auch ihr Ehemann, Minters Galloway, begleitete sie. In Berlin geriet er in Konflikt mit den Produktionsleuten, die einen Vertrag für die Filmaufnahmen ihres Konzerts forderten. Später überreichte der Produzent Mahalia und Minters jeweils eine schöne Uhr, um die Wertschätzung des Landes zu zeigen. Mahalia selbst lehnte es ab, für diese Engagements zu fliegen, da dies in ihren Verträgen festgelegt war. Sie wurde auf dieser Tour von Charles Clency und Gwendolyn Lightner begleitet.

1971 - Ein schmerzhafter Abschied

Der Herbst 1971 sollte Mahalia Jacksons letzte Europatournee sein.

Nach nur drei Auftritten, darunter ein "erstaunlicher Auftritt" in Gütersloh, wo Hunderte von Studenten auf die Bühne strömten und sie zu einem heiligen Tanz mitrissen, musste sie abgebrochen werden. Mahalia wurde in München ins Krankenhaus eingeliefert. Ihr Zustand war kritisch; sie war schwach und litt unter anhaltenden Herzschmerzen, obwohl ihr EKG unauffällig war. Ärzte des U.S. Army Hospital in McGraw Kaserne, darunter Major Santos (leitender Kardiologe aus Frankfurt) und Major Foster aus Heidelberg, waren an ihrer Behandlung beteiligt. Die Probleme wurden hauptsächlich auf Erschöpfung zurückgeführt.

Wieder waren Charles Clency und Edward (Eddie) Robinson abwechselnd an ihrem Krankenbett. Paul Siegel von Radio-TV Berlin schmuggelte ihr sogar ein Steak ins Krankenhaus, um das Mahalia gebeten hatte. Sie erhielt Genesungswünsche und Gebetsbotschaften von Soldaten und Schulkindern aus verschiedenen Ländern, darunter Deutschland und in verschiedenen Sprachen. Auch hochrangige Persönlichkeiten wie Bürgermeister Daley aus Chicago und der US-Präsident Richard Nixon sandten Telegramme – ein Ausdruck der weltweiten Anteilnahme.

Trotz ihres Zustands war Mahalia besorgt um ihre Geschäfte und die hohen Krankenhauskosten. Sie bat ihre Besucher, zu gehen, um ihr Kosten zu ersparen – ein bewegender Einblick in ihre finanzielle Verantwortung.

Ihre Rückreise in die USA erfolgte mit einem militärischen Transportflugzeug. Die Reise umfasste einen Hubschrauberflug zum “Rhein-Main Air Force Base“ bei Frankfurt für eine Übernachtung und Untersuchung, gefolgt von Flügen zur “Andrews Air Force Base“ und schließlich zum “Great Lakes Naval Hospital“, von wo aus sie mit einem Krankenwagen zum “Billings Hospital“ in Chicago gebracht wurde. Sie landete am 23. Oktober 1971 in Chicago.

Mahalia Jacksons Geschichte in Deutschland ist eine bewegende Erzählung von künstlerischem Triumph, unerschütterlichem Glauben und menschlicher Zerbrechlichkeit. Trotz wiederkehrender gesundheitlicher Rückschläge hinterließ sie einen bleibenden Eindruck bei den deutschen Zuhörern und in der europäischen Musikszene. Ihre Konzerte, besonders die von 1961 und 1969, waren von einer einzigartigen Begeisterung geprägt.

©Thilo Plaesser